Publikation in NRW Natur Heimat Kultur – Das Magazin der Nordrhein-Westfalen-Stiftung

Im Magazin 1/2019, S. 25 – 27 erschien nachfolgender Bericht des Autors Dr. Günter Matzke-Hajek über den Großen Schillerfalter und das Ahrenbachtal (Seitental der Sieg in Hennef).

Fotos:
Großer Schillerfalter: Wikimedia, Rosenzweig
Ahrenbachtal: Barbara Bouillon

DER BLAUMANN AUS DEM WEIDENBAUM

Ein sommerlicher Spaziergang durchs Ahrenbachtal könnte ein guter Einstieg ins Hobby der Schmetterlingsbeobachtung sein. Alles was man dafür braucht, sind eine Kamera, ein Bestimmungsbuch und eine Portion Neugier. Bald werden Sie den Schachbrettfalter, das Landkärtchen und den Kaisermantel kennen, die in Wiesen oder am halbschattigen Waldrand die blühenden Stauden umflattern, und mit etwas Glück begegnen Ihnen auch seltenere Arten wie der Große Schillerfalter oder der Mädesüß-Perlmutterfalter. Die artenreiche Insektenfauna unterstreicht die besondere Qualität der Bachtäler bei Blankenberg, die vor 25 Jahren unter Naturschutz gestellt wurden.

Wer eher auf breite Wanderwege, Einkehrmöglichkeiten und sonstige touristische Infrastruktur steht, sollte sich ein anderes Ziel suchen. Die relative Abgeschiedenheit dürfte der Grund sein, weshalb man hier mit sich und der Natur meist allein ist. Wer solche Ruhe liebt, Geduld und Aufmerksamkeit mitbringt, für den hält das Ahrenbachtal intensive Naturerfahrung und manche außergewöhnliche Begegnung bereit, beispielsweise die mit dem Großen Schillerfalter. Nur im Juli oder August hat man die Chance, den seltenen Tag-Schmetterling zu sehen. Die längste Zeit des Jahres lebt die Art als unauffällige Raupe am Laub der Salweide, einem lichten Baum, der an Waldrändern und auf ehemaligen Kahlschlägen wächst.

Zehn Monate unsichtbar

Auf der Oberseite eines Salweidenblattes legt das Schillerfalterweibchen im Spätsommer seine Eier ab. Die messen kaum einen Millimeter im Durchmesser und sehen aus wie winzige hellgrüne Napfkuchen. Wenn die Räupchen aus der Eihülle kriechen, beginnen sie sofort mit ihrer ersten Mahlzeit. Von beiden Rändern her nagen sie sich Richtung Blattmitte vor, lassen die Mittelrippe aber stehen. Dieses typische Fraßbild verrät Fachleuten die Anwesenheit der Art. Die Raupe selbst wird leicht übersehen. Ihre Haut ist hellgrün und feinrunzlig wie das Weidenblatt selbst.
In dieser Entwicklungsstufe überwintert das Tier auch, eng an die Knospe eines Weidenzweigs geschmiegt.

Nach dem Frühlingserwachen frisst die Larve noch bis in den Mai ihre Blatt-Diät und verpuppt sich schließlich. Selbst die Puppenhülle ist perfekt getarnt, sie sieht aus wie ein welkes oder noch nicht vollständig entfaltetes Laubblatt, inklusive täuschend echt aussehender Adern und den Randkerben eines realen Weidenblattes. Wenn Anfang Juli der Falter schlüpft, ist es mit dem Versteckspiel allerdings vorbei. Die Männchen des Großen
Schillerfalters gehören zu den prächtigsten heimischen Schmetterlingen: Wie ein Saphir schillert mal die eine, mal die andere Hälfte des Tieres in metallischem Dunkelblau, je nach Blickwinkel des Beobachters. Und über die Flügeloberseiten zieht sich ein weißes Band, das auf den Vorderflügeln in mehrere Flecken aufgelöst ist. Einen zusätzlichen Farbakzent setzen die orangefarbig gesäumten
„Augen“ auf den Hinterflügeln.

Regenbogen an Pferdeapfel
Auf das Metallic-Finish des Tieres weist übrigens nicht nur das Wort Schillerfalter hin, auch der wissenschaftliche Name Apatura iris spielt auf die optische Wirkung an: „Apaturia“ lautete in der Antike der Beiname von Athene, der Göttin der Schönheit, und Iris war in der griechischen Mythologie die geflügelte Götterbotin, die den Menschen meist in Gestalt des Regenbogens erschien. Aber weshalb bekommt man den Schönling unter den Faltern eher selten zu Gesicht? Der Grund ist einfach: Schillerfalter führen ein Leben hoch oben in den Baumkronen, Blüten besuchen sie so gut wie nie. Beim Umfliegen der Wipfel, dem „tree topping“, finden sich auch die Geschlechtspartner. Aber von Luft und Liebe kann selbst ein Schmetterling nicht leben – also deckt er seinen Flüssigkeits- und Energiebedarf, indem er hin und wieder auf Waldwegen landet und mit seinem Rüssel zum Beispiel feuchte Erde, einen toten Frosch oder einen Pferdeapfel betupft. Schmetterlingskundler und Tierfotografen machen sich die Vorliebe des Schillerfalters für anrüchige Substanzen zu Nutze, indem sie sie mit aufgeweichtem Käse anlocken. Auch menschlicher Schweiß ist für den Schillerfalter attraktiv. Wer beim Wandern durchs sommerliche Ahrenbachtal ins Schwitzen gerät, kriegt mit etwas Glück Besuch vom bunten Falter, wenn dieser auf dem Handrücken des Naturfreunds landet – vorausgesetzt, der bewegt sich nicht ...

Landschaftswandel aufgehalten

Das zur Sieg hin entwässernde Bachsystem von Ahrenbach und Adscheider Bach beherbergt noch immer eine erstaunliche Vielfalt wertvoller Lebensräume. Dazu gehören unterschiedliche Waldtypen, einige naturnahe Teiche, Feuchtwiesen, Wollgrassümpfe und Hochstaudenfluren sowie blütenreiche Mähwiesen und Magerrasen. Am Peschberg besitzt auch die NRW-Stiftung solche Flächen, die von der Biologischen Station des Rhein-Sieg-Kreises in Eitorf gepachtet und in Kooperation mit der Unteren Naturschutzbehörde des Rhein-Sieg-Kreises gepflegt werden. Eine Schafherde aus anspruchslosen Moorschnucken und Skudden verhindert, dass sie brachfallen und als artenreiche Lebensgemeinschaften verloren gehen. Würden sie anders genutzt oder aufgedüngt, könnten sie diese wichtige Funktion nicht mehr erfüllen. Als Lebensraum für Schmetterlinge würden sie damit wertlos.

Text: Günter Matzke-Hajek


BLICKPUNKT
Südlich von Hennef-Blankenberg im Mittelsieg- bergland liegt das 178 Hektar große Naturschutzgebiet „Ahrenbachtal und Adscheider Tal“, das Bachläufe, Wiesen und Wälder umfasst und mehrere Seitentälchen einschließt. Die NRW-Stiftung erwarb in dem Gebiet Grundstücke in einer Gesamtgröße von über sechs Hektar für Naturschutzzwecke. Die Biologische Station des Rhein-Sieg-Kreises mit Sitz in Eitorf organisiert die Pflegemaßnahmen in dem Gebiet. Infos unter www.biostation-rhein-sieg.de